Die Höhen und Tiefen des Radelns in Erlangen
Montagmorgen, halb 10 in Erlangen. Hier beißt man nicht in sein Knoppers sondern stürzt sich entschlossen in die Fahrradlawine, die sich vom Hugenottenplatz Richtung Bismarckstraße bewegt. Es ist ein kleines bisschen wie von einem Wespenschwarm verfolgt zu werden, nur dass die Wespen Fahrrad fahren und weit und breit kein Wasser in Sicht ist. Und während man krampfhaft bemüht ist, bei Gegenwind und Regen sein Tempo zu halten, muss man stehenden, fahrenden oder frühstückenden Autofahrern ausweichen.
Hat man die Kreuzung zwischen Hauptbibliothek und Kollegienhaus überwunden ohne von der Seite um- oder überfahren zu werden, gilt es die Engstelle vor der Rechtsmedizin lebend zu passieren. Auf der rechten Seite: stehende Autos und Autofahrer, die seitwärts einparken und die Fahrradfahrer nicht einmal wahrnehmen – warum auch, die prallen ja einfach vom Auto ab, falls man doch mal einen erwischt. Auf der entgegengesetzten Fahrbahn starten die Busfahrer gemütlich in den Tag und zucken mit keiner Wimper, wenn plötzlich ein angsterfüllter Fahrradfahrer vor ihrer Windschutzscheibe auftaucht, der einem einparkenden Auto ausweichen wollte um nicht tot zur Vorlesung zu erscheinen.
Doch die größte Herausforderung lauert am oberen Ende der Unistraße: das Bermuda-Dreieck Erlangens, das Labyrinth des Dädalus, in dem das Verkehrsamt den Minotaurus darstellt. Unzählige Touristen und auch Erstis hat unser Verkehrsamt bereits auf dem Gewissen, die verwirrt von den Vorfahrtsregeln einfach vom Lorlebergkreisel verschluckt wurden. Und auch auf der Neuen Straße ist die Situation nicht weniger dramatisch: Studenten auf Fahrrädern, die im Stau zwischen drängelnden Autos eingeklemmt sind und Neu-Erlanger, denen nicht bewusst war, dass 15 Minuten im Abgasnebel auf der Neuen Straße das sichere Game Over durch Asthmaattacken bedeuten.
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Alle diese bedauernswerten Fahrradfahrer treffen sich dann an einem Punkt wieder: an der Baustelle vor der Philfak und dem Juridicum. Die ersten Verluste sind bereits früh zu beklagen, wenn die Frühaufsteher in Löcher im Boden stürzen, die sich über Nacht wieder einmal überraschend aufgetan haben. Nur die hartgesottensten Studenten mit der ausgeprägtesten Beinmuskulatur schaffen es in diesen Tagen zur Vorlesung und wenn man genau hinhört, während die unerfahreneren Fahrradfahrer im Schotter stecken bleiben oder einem Betonmischer zum Opfer fallen, kann man das Verkehrsamt leise lachen hören.
Aber tun wir mal nicht so, als wäre unsere schöne Stadt eine sichere Todesfalle für Fahrradfahrer – es gibt auch angenehme Fahrradstrecken. Zum Beispiel die Richtung Techfak und Siemens-Campus Erlangen-Süd. Man radelt morgens bestens gelaunt unter blühenden Bäumen und an Kindern mit Schulranzen – der vielversprechenden, fidget-spinnenden Zukunft unseres Landes – vorbei und erntet schlimmstenfalls bedauernde Blicke von einem Siemensianer auf einem Cityroller.
Auch die Strecke von und nach Uttenreuth ist ein Traum: diejenigen, die von außerhalb in die Stadt wollen radeln durch grüne Wiesen, auf den Fahrradwegen unberührt von der Hektik auf den Straßen. Etwas weniger Glück haben jedoch die, die in der Innenstadt wohnen, denn Fußgänger, Tauben und plötzlich auftauchende Pfosten können einen schon mal überraschend zu Fall bringen. Was für einen Autofahrer spielende Kinder mit Ball sind, sind für einen Fahrradfahrer die Tauben: ganz in ihre Vogelgedanken an wichtige Vogeldinge versunken spazieren sie einem vor’s Fahrrad und erschrecken nicht einmal, wenn der Fahrradfahrer laut fluchend in einem abenteuerlichen Ausweichmanöver zu Boden geht.
Doch ist Erlangen deswegen ein Fahrrad-Fail? Bis auf diese genannten Unannehmlichkeiten kommt man mit dem Fahrrad immerhin noch besser voran als mit dem Auto – das Fahrrad kann man im Notfall einfach durch die Baustelle durchtragen, mit dem Auto wird das eher schwierig. Und Parkplatzprobleme hat man als Fahrradfahrer auch nie … außer am Bahnhof.